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Bildungstalk: KI im Klassenzimmer

Schule ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein Raum, in dem die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Diese Zukunft wird auch geprägt sein von Künstlicher Intelligenz, die seit dem Launch von ChatGPT vor einem Jahr die Gesellschaft und auch die Schulen in Österreich stark beschäftigt. Vor diesem Hintergrund lud der öbv in Partnerschaft mit dem Kurier am 29. November zu einem Bildungstalk ein. Rund um das Thema „KI im Klassenzimmer – ein Jahr ChatGPT“ versammelten sich in der Libelle im Museumsquartier engagierte Menschen aus der Bildung, um sich über die Chancen und Herausforderungen von KI im Bildungsbereich auszutauschen und Erfahrungen im Einsatz von KI im Schulalltag zu teilen.

Maximilian Schulyok, Geschäftsführer des öbv und Moderator des Abends, eröffnete den Bildungstalk mit dem Hinweis, dass künstliche Intelligenz unser Leben schon länger prägt, als es die meisten wahrnehmen. KI ist etwa jedes Mal im Spiel, wenn wir mit Gesichtserkennung unser Handy entsperren. Mit dem Aufkommen von ChatGPT vor einem Jahr ist KI sichtbarer und greifbarer geworden. Das hat auch Auswirkungen auf Schule und Bildung. Die Technologie führt dazu, dass viele Lehrkräfte traditionelle Ansätze zu Hausaufgaben und Prüfungen überdenken und neue Wege des Lehrens und Lernens finden.

„Wer, wenn nicht Schule, soll es übernehmen, jungen Menschen den Umgang mit KI beizubringen?“

Bernhard Gmeiner, ein AHS-Lehrer, der sich mit der Integration von Künstlicher Intelligenz im Schulalltag auseinandersetzt, gab Einblick in seine tägliche Arbeit und wie KI seine Unterrichtspraktiken bereichert. „Was ich am meisten liebe an meinem Job ist die Stundenvorbereitung – da ist ChatGPT ein toller Assistent. Was ich am wenigsten mag, ist das Korrigieren, dabei hilft es mir bisher auch recht gut“, sagte er. Er hob hervor, dass es die Aufgabe der Schule sein sollte, jungen Menschen den Umgang mit KI beizubringen: „Wer, wenn nicht Schule, soll es übernehmen, jungen Menschen den Umgang mit KI beizubringen?“

(c) Gilbert Novy

Er glaubt fest daran, dass KI einen festen Platz im Leben der nächsten Generationen einnehmen wird: „KI wird der Copilot des Lebens. Ich glaub, junge Menschen, die jetzt aufwachsen, für die wird KI ein ganz normaler Teil des Lebens sein.“ Hilfreich für die Nutzung im Unterricht seien Plattformen wie Schule.ki und fobizz, um ChatGPT-Räume zu eröffnen, in denen Schüler*innen über einen QR-Code beitreten können, ohne persönliche Daten preiszugeben.

„ChatGPT ist bei mir wirklich jeden Tag im Einsatz.“ (Bernhard Gmeiner)

Das Tool habe aber verändert, wie er unterrichte: „Als Englischlehrer habe ich die Textproduktion, die bisher daheim passiert ist, in den Unterricht verlagert. Denn es bringt nichts, wenn wir uns KI-generierte Texte hin und her schicken.“ In seinem Geografieunterricht nutzt er KI, um Infos zu komplexen Themen wie WTO und IWF zu vereinfachen, damit seine Schüler*innen ein grundlegendes Verständnis erlangen können. Er merkte jedoch an, dass es aktuell zu wenig finanzielle Unterstützung : „Den Premium-Account muss ich selber zahlen.“

„Wir können schnell viel machen – aber es muss trotzdem der Mensch kontrollieren, ob die Ergebnisse passen“

Carina Zehetmaier, Präsidentin von Women in AI Austria und FH-Lektorin, teilte zu Beginn eine sehr persönliche Erfahrung mit ChatGPT: „Ich bin Legasthenikerin und kann jetzt viel bessere Texte schreiben, die ich vorher nicht so hätte schreiben können.“ Sie betonte die transformative Kraft von KI in allen Lebensbereichen: „Schon bevor ChatGPT überhaupt auf den Markt kam, gab es die Aussage, dass KI  jede Branche verändern wird, so wie Elektrizität oder sogar die Alphabetisierung unser Leben verändert haben.“

„Wir werden uns kein Leben mehr ohne KI vorstellen können.“ (Carina Zehetmaier)

(c) Gilbert Novy

Carina Zehetmaier sprach auch die Herausforderungen an, die mit KI einhergehen, wie die momentane Schwierigkeit, wahre von falschen Informationen zu unterscheiden und die Quellen richtig zu bewerten. Sie wies auf die Notwendigkeit hin, sich auf neue Herausforderungen vorzubereiten, da Technologien wie KI immer weiter an Bedeutung gewinnen. Sie sprach auch über die Regulierung von KI-Technologien durch den geplanten EU AI Act und betonte, dass es Anwendungsmöglichkeiten von KI gibt, die in der EU insgesamt nicht erwünscht sind, aber dass andere durchaus erwünscht sind, aber unterschiedlich stark reguliert werden müssen, abhängig davon, wie sensibel der Bereich ist, in dem sie eingesetzt werden.

Sobald KI Einschätzungen treffe, auf deren Basis möglicherweise Menschen diskriminiert werden, etwa weil sie aufgrund einer Leistungseinschätzen mehr oder weniger Chancen auf Jobs oder weiterführende Bildung erhalten, werde es sehr problematisch. Auch das Entfernen bestimmter Faktoren wie Geschlecht und Name reiche nicht aus, um Diskriminierung durch KI zu vermeiden. Die KI nutze in der Analyse dann sogenannte Proxies (etwa Betreuungszeiten, Sprachverwendung etc.), durch die es trotzdem zu einer Diskriminierung kommen kann.

Sie betonte, dass junge Menschen kritisches Denken im Umgang mit KI brauchen. Diese Fähigkeit müssen sie entwickeln, damit sie zum Beispiel nicht einfach alles akzeptieren, was die KI so produziert. Sie sieht in generativer KI eine Chance, neue Denkanstöße und Diskussionen zu fördern, etwa, wenn unterschiedliche Nutzer*innen auf dieselbe Frage variierende Antworten erhalten. Sie sieht den Vorteil von KI so: „Wir können viel schnell machen – aber es muss trotzdem der Mensch kontrollieren, ob die Ergebnisse passen.“

„Von der Schule wurde ich nicht gut auf die KI-Welt vorbereitet, muss ich ehrlich sagen.“

Larissa Arthofer, eine Schülerin im Maturajahr und Youth Expert bei der Sinnbildungsstiftung, die nebenbei auch schon Jus studiert, brachte die Perspektive der jungen Generation in die Diskussion ein. „Ich hab schon das Gefühl, als hab ich einen persönlichen KI-Assistenten, der mir bei zeitintensiven Aufgaben hilft. Außerdem gibt es viele Anwendungen, die das Lernen viel interessanter machen“, teilte sie ihre Erfahrungen mit KI in der Bildung. Allerdings habe die Schule sie nicht ausreichend auf die KI-Welt vorbereitet.

(c) Gilbert Novy

Sie sprach über die Wichtigkeit, sensibel mit persönlichen Daten im Umgang mit KI umzugehen und bewusst zu entscheiden, wo der Einsatz von KI sinnvoll ist und wo nicht. Die Schülerin wies auch auf die Herausforderungen hin, die mit der Nutzung von KI im Schulalltag verbunden sind. „Schlechten Schüler*innen wird weniger zugetraut, dass sie einen guten Text abgeben, seit es ChatGPT gibt.“

 

„Am Anfang waren all die Referate und Buchvorstellungen plötzlich voll gespickt mit den perfekt passenden Zitaten, die es so im Buch gar nicht gibt. Das ist dann ziemlich schnell aufgeflogen.“ (Larissa Arthofer)

„Ich hab meine VWA selbst geschrieben – und ich glaube nicht, dass eine KI so gut und mit inhaltlicher Tiefe mir diese Arbeit ausgespuckt hätte.“ Sie betonte, dass sie KI eher als Quelle der Inspiration nutzt und die Faktenrecherche selbst übernimmt. Larissa Arthofer schlug auch vor, dass Supplierstunden genutzt werden könnten, um Schüler*innen mehr Kompetenz im Umgang mit KI zu vermitteln. Sie stellt sich von Expert*innen entwickelte Lernpfade rund um KI vor, die die jungen Menschen eigenständig in ihrem eigenen Tempo durcharbeiten könnten.

„Ich kann mit meinen Schüler*innen viel mehr diskutieren und viel kreativer arbeiten durch KI.“

Markus Mistlberger, AHS-Lehrer in Linz, schilderte, wie die Einführung von KI in seinem Unterricht sowohl das Lernen als auch die Lehrmethoden bereichert hat: „Ich kann mit meinen Schülerinnen viel mehr diskutieren und viel kreativer arbeiten durch KI.“ Ein signifikanter Vorteil, den er hervorhob, ist die Möglichkeit, Sprachbarrieren abzubauen, etwa durch das Übersetzen von Texten in die Muttersprache der Schülerinnen, oder die Chance, Texte für verschiedene Schüler*innen auf ihnen entsprechende Sprachniveaus anzupassen. Mistlberger betonte, dass KI sogar manche traditionelle Lernansätze, wie Nachhilfe, in Frage stellen könnte. Dabei bestehe aber auch die Gefahr, dass der Zugang von Schüler*innen zu KI-unterstützten Bildungs-Tools von den monetären Voraussetzungen der Eltern abhängig ist.

(c) Gilbert Novy

In seinem Geschichtsunterricht nutzt er KI, um die Schülerinnen in der Quellenkritik zu schulen. Sie vergleichen KI-generierte Kurzzusammenfassungen mit etablierten Online-Lexika und diskutieren die Unterschiede. Im Deutschunterricht lässt er die Schüler*innen ihre Texte mit Hilfe von KI visualisieren, was für einen interessanteren und kreativeren Lernprozess sorgen kann.

 

Ich lasse meine Schüler*innen immer wieder auch einen Aufsatz mit KI schreiben. Dann vergleichen wir: Welcher ist besser, ihrer oder der der KI? Warum? Wo liegen ihre Qualitäten, wo die der KI? (Markus Mistlberger)

Seine Schule, das Petrinum in Linz, entwickelt gerade eine KI-Charta. „Wir geben keine Regeln vor, sondern Empfehlungen. Denn wenn wir etwas vorschreiben und zwei Wochen später gibt es neue Regeln vom Bildungsministerium, führt das vielleicht zu einem Widerspruch.“

Mistlberger ist der Meinung, dass Lehrkräfte die Freiheit haben sollten, selbst über den Einsatz von KI im Unterricht zu entscheiden. „Die Oberhoheit darüber, was ich im Unterricht mache, habe ich als Lehrkraft.“ Im Prüfungskontext sieht er aber definitiv die Notwendigkeit, Regeln für den Einsatz von KI festzulegen. Er betont aber, dass sich das Bildungssystem insgesamt verändern muss, um mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten.

Viel Raum für Austausch und Fragen

Der Bildungstalk gab den Teilnehmenden vielfältige Möglichkeiten zum Austausch und zur aktiven Beteiligung. Nach jedem Fragenblock hatten die Anwesenden die Gelegenheit, eigene Fragen zu stellen, was zu einem lebhaften und informativen Dialog führte. Ein besonderer Höhepunkt war ein längerer interaktiver Teil, in dem Personen mit unterschiedlichen Erfahrungsniveaus im Umgang mit KI sich in kleinen Gruppen miteinander austauschten. Erfahrenere KI-Nutzer*innen teilten ihr Wissen mit denen, die neu in der Welt der KI waren und mehr darüber erfahren wollten.

Zu Beginn der Veranstaltung fanden in kleinen Gruppen Gespräche statt, in denen die Teilnehmenden diskutierten, welche Veränderungen ChatGPT in ihrem persönlichen und beruflichen Leben hervorgerufen hatte. Einige bemerkten, dass die Texterstellung nun viel schneller vonstattengeht. Eine Lehrerin bemerkte, dass die meisten ihrer Schülerinnen Zugang zu ChatGPT haben und betonte: „Jetzt sehe ich es als meine Aufgabe als Lehrerin, meinen Schülerinnen zu zeigen, was KI nicht leisten kann.“

„Jetzt sehe ich es als meine Aufgabe als Lehrerin, meinen Schülerinnen zu zeigen, was KI nicht leisten kann.“ (Lehrerin)

Eine Lehrerin berichtete von den Herausforderungen in ihren Klassen. Sie hat einen sehr hohen Anteil an Schüler*innen, die Deutsch als Zweitsprache lernen. Diese schrieben zwar wunderschöne Aufsätze mit Hilfe von ChatGPT, was aber nicht der Realität ihrer Sprachfähigkeiten entsprach. Eine andere Teilnehmerin teilte ihre Erfahrungen, dass KI beim schrittweisen Rechnen gut funktioniert, aber auch fehlerhafte Ergebnisse liefern kann. Wenn sie etwa wenn sie das Tool frage, wie groß die Winkel eines Quadrats sind, komme 270° heraus. Ein anderer Teilnehmender probierte das direkt aus und erhielt eine korrekte Antworten von ChatGPT erhielten. Ob die unterschiedlichen Antworten auf verschiedene Versionen des Tools, eine Weiterentwicklung der Antwortqualität von ChatGPT in der Zwischenzeit zurückzuführen sind oder einfach daher kamen, dass die KI auf jede Anfrage die Antwort neu generiert und diese Antworten sich durchaus unterscheiden können, blieb offen.

Weiterhin neugierig?

Viele spannende Gedanken und Gespräche über die Bildung der Zukunft und auch zum Thema KI gibt es im öbv-Podcast #klassezwanzigzukunft. Spannende Impulse zu KI und mehr liefert auch lörn, die digitale Bildungsplattform für Lehrkräfte.

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Kein Problem – es gibt den Livestream zum Nachschauen auf Instagram!

 

Tags : BildungstalkchatgptKIKünstliche Intelligenz