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Innovative Impulse für die Schule

Titelbild Magazin low

Schule bereitet junge Menschen auf eine Zukunft vor, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Um dem gerecht zu werden, braucht die Bildung innovative Impulse und motivierte Bildungsheld*innen, die die Schule von morgen mitbauen – im Großen wie im ganz Kleinen. Damit diese sich austauschen und gegenseitig inspirieren können, hat der öbv in Kooperation mit dem Kurier am 30. Mai im Haus der Musik einen Bildungstalk unter dem Motto „Bildungsheld*innen – innovative Impulse für die Schule“ veranstaltet.

Für den öbv steht das Jahr 2023 im Zeichen der Bildungsheld*innen. „Bildungsheld*innen sind für uns keine berühmten, herausgehobenen Personen: Unzählige Menschen setzen sich jeden Tag für Bildung ein: Lehrer*innen, Eltern, Menschen, die in Organisationen und Unternehmen im Bereich Bildung arbeiten und nicht zuletzt Schüler*innen selbst, die auf ihrem Bildungsweg so einige Hindernisse zu überwinden haben. Diese Personen werden in der Öffentlichkeit viel zu wenig gehört und bekommen meist viel zu wenig Wertschätzung für ihr Engagement.“, erklärt öbv-Geschäftsführer Maximilian Schulyok, der den Bildungstalk moderierte, bei der Begrüßung.

Gemeinsam erforschen

(c) Kurier

Sonja Macher hat für einige Zeit über Teach-for-Austria unterrichtet und bringt jetzt mit verschiedenen Projekten frischen Wind in Schule und Bildung. Sie macht uns heute Mut, neue Technologien auszuprobieren und zeigt, wie sie zu mehr Spaß in der Bildung führen können. Sie beobachtet, dass mit ChatGPT gerade das passiert, was vor einigen Jahrzehnten mit Word Art passiert ist: Es gibt ein neues Tool, alle probieren es mal aus, die Erwachsenen fangen an zu spielen. Sie hat einige Impulse dazu, wie ChatGPT sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden kann. Ihr Lieblingstool ist aber StopMotion, weil es junge Menschen begeistert und das Lernen in ganz verschiedenen Fächer unterstützen kann: in Mathe, um kreativ das 1×1 zu lernen, in Deutsch für das Erklären von Satzgliedern, in Physik für das Lernen über Stromkreise und vieles mehr.

„Auch nach 15.000 Stop-Motion-Filmen bin ich immer noch davon begeistert – wegen diesen Glühbirnenmomenten, wo plötzlich jemand versteht, worum es geht.“

Sonja legt Wert darauf, dass es keine so starke Hierachie zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen gibt. Lehrkräfte wie junge Menschen sind schließlich Lernende. Sie entdeckt am liebsten mit ihren Schüler*innen gemeinsam. So schafft sie es auch, den „Funken“ zu schaffen, der für das Thema begeistert und das Interesse weckt. Sie arbeitet nach dem Konzept: Engage, Explore, Explain. Zuerst weckt sie das Interesse der Kinder, erforscht mit ihnen gemeinsam und dann kommt erst die Erklärung.

Sie gibt allen Bildungsbegeisterten diesen konkreten Tipp mit:

„Lass deiner Abenteuerlust freien Lauf! Probiere neue Technologien und Tools einfach zuerst für dich und dann mit deinen Schüler*innen im Unterricht aus. Dabei muss nicht alles perfekt sein – Neugier und Spaß stehen im Vordergrund!“ Dazu gibt es gleich ein paar Tooltipps & Beispielvideos:

Erfolge der Kinder feiern

(c) Kurier

Ingrid Teufel, eine pensionierte Volksschullehrerin, die in verschiedenen Bildungsinitiativen aktiv ist und sich unter anderem für das Projekt PERMA.teach einsetzt, gibt ganz konkrete Tipps, wie positive Psychologie die Bildung bereichern kann.

Sie weiß, dass die wissenschaftliche Evidenz zeigt: Positive Emotionen beim Lernen sind extrem wichtig. Es ist zum Beispiel ganz entscheidend, Schüler*innen positiv bestärkt und in ihren Stärken gefördert werden. Lernen wollen Kinder erst einmal alle – nur oft geht ihnen das in der Schule verloren. Ihr als Lehrkraft war es immer wichtig, einen Rahmen zu schaffen für die Kinder, in dem diese lernen, sich etwas zuzutrauen, an ihre Leistung glauben, überzeugt sind, dass sie es schaffen.

„Wir müssen die Kinder beim Gut-Sein erwischen!“

Sie hat dafür gesorgt, dass die jungen Menschen Ziele haben und im Hinarbeiten auf diese auch Erfolge haben. Wenn Lehrkräfte mit Kindern diese Fortschritte feiern, statt vor allem darauf hinzuweisen, wo sie noch Aufholbedarf haben, kommt es zu einer Aufwärtsspirale: Die jungen Menschen sind motiviert und lernen dann viel lieber und erfolgreicher. Dadurch erleben sie wieder mehr Erfolge und so steigen Motivation und Lernerfolg immer weiter.

Sie gibt dafür als konkretes Tool die „PERMA-Hand“ mit. Jeder Finger steht für einen Buchstaben:

  • Positive Emotions (positive Emotionen vermehren und nutzen)
  • Engagement (Flow erleben, eigene Stärken leben)
  • Relationships (positive Beziehungen pflegen)
  • Meaning (Sinn – im Alltag – transparent machen und leben)
  • Accomplishment (Erfolgserlebnisse ermöglichen und sichtbar machen)

Jungen Menschen Verantwortung geben

(c) Kurier

Erika Tiefenbacher ist Direktorin der Mittelschule Schop79. Sie erzählt, warum und wie in ihrer Schule junge Menschen selbst Verantwortung übernehmen.

Sie berichtet, dass sie aktuell an den Schüler*innen ihrer Schule merkt: Durch Corona ist die Förderung von Sozialkompetenz bei Kindern und Jugendlichen zu kurz gekommen. Sie legt daher aktuell besonders großen Wert darauf, den jungen Menschen Gelegenheit zu geben, Verantwortung zu übernehmen, ihre sozialen Fähigkeiten zu trainieren und Selbstwirksamkeit zu erleben.

„Soziale Intelligenz kann man trainieren, aber sie verkümmert auch, wenn man sie nicht fördert. Das kann nicht in einem Fach isoliert passieren, sondern das müssen alle Lehrer*innen fachübergreifend machen.“

Konkret sieht das an ihrer Schule etwa so aus: Schüler*innen werden in Teams speziell im Umgang mit Technik und Technologie ausgebildet und unterstützen als E-Coaches die Lehrkräfte bei der Verwendung von Computer, Beamer & Co. Insbesondere vor Corona hat das dazu beigetragen, dass Lehrkräfte sich häufiger getraut haben, digitale Inhalte im Unterricht zu verwenden. Und die Schüler*innen waren plötzlich die Expert*innen und haben den Unterricht durch ihre technologischen Kenntnisse bereichert – das gibt Selbstvertrauen und Zuversicht. Sie fördert auch Peer Learning, etwa in dem ältere Schüler*innen schon jetzt am Schuljahresende einen Willkommensnachmittag für die Kinder gestalten, die ab Herbst in die Schule kommen werden. Es wird jeweils ein älteres mit einem neuen Kind zusammengebracht und hilft diesem beim Ankommen in der Mittelschule. Die älteren Kinder lernen dadurch Verantwortung zu übernehmen und bauen ihre sozialen Kompetenzen aus – und die neuen haben gleich eine Ansprechperson, die sich schon auskennt und ihnen hilft. Ihre Schüler*innen haben auch selbst eine Ausstellung zu den Sustainable Development Goals der UN gemacht. 14 von ihnen wurden als SDG-Guides ausgebildet, die vor ihren Stationen stehen und die Nachhaltigen Entwicklungsziele selbst erklären können. Die Viertklässler*innen engagieren sich übrigens auch für 30 Stunden ehrenamtlich, lesen zum Beispiel Kindergartenkindern vor (auf mehreren Sprachen), helfen in der Gruft beim Aussortieren von Kleidern oder besuchen ältere Menschen im Senior*innenheim.

Ihr Tipp: „Der Spruch von Oscar Wilde ‚In jedem von uns steckt ein König. Sprich zu dem König und er wird hervorkommen!‘ trifft sowohl für Schüler*innen wie für Pädagog*innen zu. Jede*r wächst durch die Stärken, die er oder sie einsetzen darf. Es liegt an den Möglichkeiten diese im Schulalltag zu entfalten. Meist geht es darum, unsere Kids (weniger auf die nächste Schularbeit als) auf das Leben in unserer Gesellschaft vorzubereiten.“ Konkrete Beispiele dafür sind etwa die Projekte, die sie im Bildungstalk geteilt hat und die hier im Artikel skizziert sind – oder viele weitere Projektbeispiele auf www.schop79.at.

Durch digitale Tools individueller lernen

(c) Kurier

Ivan Topic ist AHS-Lehrer, Mentor & Autor. Er teilt Erfahrungen, wie er KI für individuelles Lernen und mehr Bildungsgerechtigkeit nutzt. Entscheidend ist es, neue Tools einfach einmal auszuprobieren. Dann lernt man automatisch, damit umzugehen und wird besser darin.

Ivans Schüler*innen lernen oft gar nicht im Klassenzimmer selbst. Sie gehen im Schulgebäude herum, machen Social-Media-Projekte, nutzen ChatGPT. Eine Klasse etwa erklärt auf Instagram-Accounts physikalische Phänomene. So lernen sie selbstständiges Arbeiten und kommen zu dem Punkt, wo sie Inhalte tatsächlich verstehen – sonst können sie sie schließlich nicht erklären.

„Meine Schüler*innen sind oft gar nicht im Raum.“

Er hatte selbst als Kind nicht allzu viele Ressourcen zur Verfügung und setzt KI jetzt auch ein, um mehr Chancengerechtigkeit zu schaffen. Durch seine flexiblen Unterrichtsmodelle kommuniziert er viel mit den Schüler*innen und merkt dabei, welche von ihnen von daheim nicht so viel Unterstützung mitbekommen. Er kann ihnen dann zeigen, welche kostenlosen Tools es gibt und wie sie die als sinnvolle Hilfsmittel nutzen können. Durch KI lernen seine Schüler*innen auch viel darüber, wie die Welt funktioniert. Wenn sie etwa bei der Arbeit mit ChatGPT fragen: „Warum kommen bei uns allen unterschiedliche Antworten raus?“ reflektieren sie gemeinsam und kommen zum Schluss: „Weil es keine einfache Antwort gibt.“

Er betont: Eigentlich steht der allgemeine Lehrplan mit all den Future Skills, vor den Fachlehrplänen. Trotzdem wird er oft nicht wichtig genommen. Ivan ist überzeugt: Wir müssen dem mehr Raum geben und notfalls eher einmal kleine Abstriche beim Fachlehrplan machen.

Sein konkreter Impuls:

„Lassen wir Schüler*innen zu aktiven Mitgestalter*innen des Lernprozesses werden. Künstliche Intelligenz, speziell ChatGPT, bietet eine Fülle von Möglichkeiten, individuelles Lernen zu fördern und Bildungsgerechtigkeit zu stärken. Hier sind einige Ideen, wie dies umgesetzt werden kann:

  • Virtuelle Expert*innen erstellen: Fordere deine Schüler*innen dazu auf, mithilfe von ChatGPT virtuelle Expert*innen zu erstellen. Statt die Formel von Pythagoras einfach herzuleiten, lass sie eine Diskussion mit Pythagoras selbst führen. Nutze die Antworten für eine gemeinsame Reflexion und zur Erweiterung des gemeinsamen Verständnisses.
  • Projektentwicklung mit KI: Nutze ChatGPT, um Ideen für gemeinsame Projekte zu entwickeln. Lass die Schüler*innen dabei selbst ChatGPT verwenden, um Informationen zu sammeln, zu recherchieren und ihre Präsentationen vorzubereiten.
  • Fragen und Antworten diskutieren: Erstelle gemeinsam mit deinen Schüler*innen Fragen zu einem bestimmten Thema. Diskutiere sowohl die Fragen als auch die Antworten mit ihnen, um gemeinsam in das Thema einzusteigen.

Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug, dessen Nutzung und Verständnis wir stetig verbessern können. Je häufiger wir es einsetzen, desto effektiver können wir es nutzen und desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich uns. Die einzige Gefahr besteht darin, Schüler*innen die Chance zu verwehren, dieses Werkzeug zu nutzen und so gemeinsam eine bessere Zukunft zu gestalten.“ Mehr konkrete Beispiele und Tipps gibt Ivan in seinem lörn-Kurs.

Welche Veränderungen wünschen sich Schüler*innen?

Aber was sagen eigentlich Schüler*innen dazu, die das ja zuallererst betrifft? Was wünschen sie sich für Veränderungen im Schulalltag? Dazu hatten wir zwei der Youth Experts der Sinnbildungsstiftung eingeladen: Isabel und Douaa, 14 und 15 Jahre alt.

Douaa freut sich über das Engagement der Bildungsheld*innen im Saal: „Ich finds ganz toll, dass sich so viele Menschen für unsere Bildung interessieren. Ich hab auch ganz tolle Vorschläge hier gehört, wo ich mir denk: Das wollen Schüler*innen genau so in der Art.“ Was in ihren Augen zu oft übersehen wird im Unterrichtsalltag: „Die Atmosphäre im Raum, die Freundlichkeit, ist total wichtig. Viele Lehrkräfte wollen so seriös wirken und sind eher hierarchisch. Ich finde, Lehrkräfte und Schüler*innen sollten auf Augenhöhe kommunizieren. Es ist wichtig, als Schülerin auch mal ermutigt zu werden: Das ist deine Stärke. Das hast du dich getraut. Hier hast du einen Fortschritt gemacht. Manche Menschen geben uns diese Motivation und diesen Mut, und das sollten Lehrer*innen auch tun.“

Ich finde, Lehrkräfte und Schüler*innen sollten auf Augenhöhe kommunizieren.

Isabel berichtet: „Wir haben eine Umfrage unter Schüler*innen gemacht. Da ist rausgekommen, dass es das Bedürfnis gibt, dass in der Schule individueller auf sie und ihre Stärken eingegangen wird.“ Sie findet es toll, dass das – wie einige der Podiumsgäste geteilt haben – durch neue Technologien leichter und besser umgesetzt werden kann. Sie hat selbst in ihrer Schullaufbahn erlebt, dass sich Kinder gerade durch Technologie fürs Lernen begeistern lassen.

Bildungsheld*innen im Saal teilen eigene Impulse

(c) Kurier

Die vielen engagierten Bildungsheld*innen im Saal haben viele eigene Impulse und Gedanken zu ergänzen. Sie teilen an verschiedenen Stellen der Veranstaltung spannende Projekte und Ansätze wie die individuelle und stärkenzentrierte Förderung der Schüler*innen oder praxisnahe Wirtschaftbildung.

Gleichzeitig gab es einen regen Austausch über Herausforderungen, die es in der Realität oft schwer machen, innovative Ideen umzusetzen. Wie können wir es schaffen, dieses positive Mindset auch an die Lehrkräfte zu bringen, die aktuell noch nicht intrinsisch motiviert sind, sich in diese Richtung zu engagieren? Wie können Lehrkräfte sich für schüler*innenzentrierte, zukunftsorientierte Bildung einsetzen, ohne selbst auszubrennen?

„Ich gebe mir ganz viel Mühe, Kinder individuell zu fördern und ihre Stärken zu stärken. Aber am Schluss muss ich ihnen doch Noten geben. Das macht es sehr schwer, ihnen diesen Enthusiasmus am Lernen mitzugeben.“

„Bei mir an der Schule gibt es kein WLAN. Meine mobilen Daten sind in der Mitte vom Monat aufgebraucht, wenn ich meinen Schüler*innen etwas im Internet zeigen will.“

„Wie wollen wir unsere Kinder und Jugendlichen auf die Berufswelt vorbereiten? Ich kenne keine Firma, die in 50-Minuten-Einheiten ihre Arbeit erledigt.“

„Es gibt halt noch zu wenige von euch. Meine Tochter geht in ein Gymnasium, wo es an der Kommunikation auf Augenhöhe total fehlt.“

Am Ende waren sich die Bildungsheld*innen am Podium und im Saal einig: Die Stärken der jungen Menschen zu fördern, sie als Menschen, auf Augenhöhe anzusprechen, fächerübergreifende Kompetenzen zu vermitteln und ihnen etwas zuzutrauen, ist für zukunftsorientierte Bildung viel wichtiger als das Abarbeiten jedes kleinen Details des Fachlehrplans. Was uns am meisten gefreut hat: Wir haben ganz viele Rückmeldungen bekommen, dass Menschen mit vielen neuen Impulsen, vor allem aber mit einer Menge neuer Motivation zurück in den Alltag gegangen sind.

Interesse an mehr?

Viele spannende Gedanken und Gespräche über die Bildung der Zukunft gibt es im öbv-Podcast #klassezwanzigzukunft.

Spannende Impulse zu aktuellen Themen liefert lörn, die digitale Bildungsplattform für Lehrkräfte. 47 Kurse gibt es dort schon und jeden Monat kommen ein paar neue dazu – Lehrkräfte können sich dafür Themen wünschen. Auf lörn gibt es unter anderem auch Input von Sonja Macher und Ivan Topic.

Sie konnten nicht dabei sein?

Kein Problem – Ausschnitte des Talks gibt es zum Nachschauen auf Instagram!

Tags : AustauschBildungsheld*innenBildungsheldenBildungstalkchatgptKIPositive PsychologieVeranstaltung