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Was sagen Lehrkräfte zur Matura?

Grundsätzlich sinnvoll, aber in der aktuellen Form nicht zeitgemäß – so lässt sich zusammenfassen, was die österreichischen Lehrkräfte laut einer öbv-Umfrage von der Matura halten. Welchen Teil der Matura sie besonders kritisch sehen und was sie verändern würden, zeigt dieser Artikel.

Jedes Jahr einige Wochen vor der Matura füllen sich die Medien mit Diskussionen: Sollte die mündliche Matura noch einmal freiwillig sein? Ist es unfair, so viel Bedeutung auf eine Momentaufnahme zu legen? Wie zeitgemäß sind die Prüfungsmodalitäten? Ist eine Matura überhaupt sinnvoll? „In den Medien wird die Meinung von Lehrkräften meist höchstens durch eine Einzelmeinung repräsentiert. Umfragen unter Lehrenden gibt es kaum“, so öbv-Geschäftsführer Maximilian Schulyok. Daher hat der öbv im März 634 Lehrkräfte aus ganz Österreich nach ihrer Meinung zur Matura gefragt, um ein ungefähres Stimmungsbild sichtbar zu machen. Rund 66 % von ihnen haben selbst Erfahrung beim Unterrichten von Maturaklassen: 36 % der Befragten unterrichten aktuell an Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS), 26 % an Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS), der Rest teilt sich auf andere Schularten auf.

Sinnvoll, aber verbesserungswürdig

Es lässt sich sagen, dass die meisten Lehrer*innen (92 %) die Matura insgesamt für sinnvoll  halten –  die Hälfte davon jedoch nicht in ihrer jetzigen Form. Auch die Zustimmung zur schriftlichen und mündlichen Matura ist recht hoch: Nur 9 % bewerteten die schriftliche und 8 % die mündliche Matura als nicht sinnvoll. Verbesserungen halten allerdings 39 % bei der schriftlichen und 33 % bei der mündlichen Matura für nötig.

„Die Matura ist wie die Schule selbst wegbegleitend für Jugendliche. Es ist eine „Generalprobe“ in bekanntem, geschütztem Rahmen für Herausforderungen im Leben, die immer wieder kommen werden.“ (Lehrkraft)

Die Vorwissenschaftliche Arbeit bzw. Diplomarbeit halten 61 % der Befragten (grundsätzlich oder in ihrer jetzigen Form) für nicht sinnvoll. 85 % wollen eine verpflichtende Matura behalten, aber 68 % fänden es nötig, sie in wesentlichen Punkten zu ändern. 82 % würden sie stärker an die Schulformen und Zweige anpassen, 56 % fänden es sinnvoll, die Jahresnote des letzten Schuljahres einfließen zu lassen.

 „Die Jahresnote sollte zum Teil in die Abschlussnote einfließen. Jeder Mensch hat schlechte Tage und viele Jugendliche sowie Erwachsene haben Prüfungsangst, somit ist die Matura nur eine Momentaufnahme und nicht aussagekräftig, ob jemand ‚reif‘ ist.“ (Lehrkraft)

Ein schönes Ritual, das aber zu viel Raum einnimmt

75 % der befragten Lehrkräfte halten die Matura für ein schönes Abschlussritual der Schulzeit. 64 % geben jedoch an, dass sie in der jetzigen Form nicht zeitgemäß sei. Kritisiert wird etwa, dass anderes zu kurz komme, weil zu stark „auf die Matura hin“ unterrichtet werde (82 %), dass die Matura für Schüler*innen mit Angst und Stress verbunden sei (75 %) und dass durch sie das letzte Schuljahr großteils aus Bulimie-Lernen bestehe (53 %).

„Schaffe ich es bis dorthin, finde ich die Matura unnötig!“ (Lehrkraft)

Ist das Niveau durch die Zentralmatura gesunken?

Von der Zentralmatura sind 31 % der Befragten grundsätzlich nicht überzeugt, 44 % halten sie in ihrer jetzigen Form für nicht sinnvoll. Die Lehrkräfte sehen jedoch durchaus Vorteile in der Zentralmatura, etwa eine einfachere Korrektur der Prüfungen (52 %), österreichweite Vergleichbarkeit (51 %) sowie eine Veränderung ihrer Rolle von der Prüfer*in hin zur Helfer*in (40 %). 68 % sind allerdings überzeugt, das Niveau der Matura sei im letzten Jahrzehnt gesunken.

„Die Matura zeigt nicht die Kompetenzen der Kandidat*innen, sondern das Engagement der Lehrkräfte im Vorfeld!“ (Lehrkraft)

Knapp 99 % der Lehrkräfte geben an, dass es ihnen gelingt, ihre Schüler*innen angemessen auf die Matura vorzubereiten (55,3 % definitiv, 43,4 % einigermaßen). Für eine bessere Vorbereitung wünschen sich viele Befragte jedoch mehr Zeit (66,8 %), teils auch mehr Unterrichtsmaterialien (37,5 %) und eine stärkere Eingrenzung des Stoffs (22,6 %). 

„Mit jeder bestandenen Prüfung wächst ein gesundes Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigene Person, in Zukunft schwierige Situationen auch zu meistern.“ (Lehrkraft)

Weitere Meilensteine des Bildungssystems

Auch weitere Meilensteine des Bildungssystems wurden abgefragt: Vergleichsweise unumstritten ist die Einschulung, die 54 % in ihrer jetzigen Form sinnvoll und nur 6 % als Ritual grundsätzlich nicht sinnvoll finden. Kritischer sehen Lehrkräfte etwa den Übertritt nach der Volksschule: 62 % halten Verbesserungen für notwendig. Auch der Pflichtschulabschluss und der Übergang nach der Mittelschule bzw. AHS-Unterstufe werden eher kritisch betrachtet. 73 % der Befragten halten überdies einen allgemeinen mittleren Schulabschluss in Österreich für notwendig.

Vielen Dank an alle Lehrkräfte, die an der Umfrage teilgenommen haben!