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Warum es in Zeiten von Google noch ein Wörterbuch braucht

Christiane Pabst ist Chefredakteurin des Österreichischen Wörterbuchs (ÖWB), das es seit 1951 gibt und das 2022 bereits in der 44. Auflage erschienen ist. Die Wörterbuch-Enthusiastin arbeitet seit 2005 am ÖWB mit und ist seit 2015 dessen Chefredakteurin. Im Interview erzählt sie, was sich an der Wörterbucharbeit in den letzten siebzehn Jahren verändert hat, über welchen sprachlichen Fauxpas sie selbst gelegentlich stolpert, warum es in Zeiten von Suchmaschinen wie Google überhaupt noch ein Wörterbuch braucht und wie das Österreichische Wörterbuch wohl im Jahr 2050 aussehen wird.

 

2022 ist die 44. Auflage des Österreichischen Wörterbuchs erschienen. Über welche Neuerungen dürfen wir uns freuen?

Über viele neue Wörter – etwa 6.000 mehr als in der 43. Auflage, und zwar aus den Bereichen Berufsbezeichnungen, Jus, Medizin, Wirtschaft, aktuelle weltpolitische Geschehnisse – zum Beispiel die Coronakrise – und aus dem administrativen Bereich et cetera.

Die erste Auflage 1951 ist lange her. Sie sind seit 2005 beim ÖWB an Bord. Was sind die größten Veränderungen seit Ihrem Dienstantritt ?

Von 2005 bis 2013 war ich ja nur im Konsulenten-/Konsulentinnen-Stab und da vor allem für Grammatik zuständig. Anschließend war ich als freie Mitarbeiterin in einem Team zuständig für die Datenbearbeitung, die notwendig wurde durch das Transferieren in eine xml-Datei. Seit 2014 bin ich in der Redaktion und seit März 2015 Chefredakteurin.

Es scheint mir auch ein größeres Interesse an der Sprachreflexion und am Wörterbuch selbst vorzuherrschen, worüber ich mich sehr freue.

Es gibt mehrere große Veränderungen. Früher wurden in herkömmlicher Form, ähnlich wie in Word, Wörterbuchartikel erstellt, Inhalte ergänzt, mit Stift auf Papier korrigiert, Inhalte eingefügt et cetera. Heute erfolgt alles über den Bildschirm. Außerdem verändert sich der Wortschatz viel schneller als noch vor zehn Jahren – das betrifft natürlich das Herz der Wörterbucharbeit. Sprachliche Thematiken stehen im Brennpunkt gesellschaftlicher Beobachtung und Diskussion. All das will berücksichtigt werden.

Und es scheint mir auch ein größeres Interesse an der Sprachreflexion und am Wörterbuch selbst vorzuherrschen, worüber ich mich sehr freue. Insofern ist auch Medienarbeit ein viel zentraleres Thema geworden. Außerdem glaube ich, dass wir mithilfe der sozialen Medien viel näher am Schulbetrieb sind, was natürlich auch befruchtend für das Wörterbuch ist.

 

Gutes tun mit einem Wörterbuch

Aktuell gibt es eine limitierte Sonderedition der 44. Auflage des Österreichischen Wörterbuchs, gestaltet vom Wiener Künstler Boicut, zu einem Preis von € 25,90. Davon gehen € 5,00 an die KURIER Lernhäuser, die sich dafür einsetzen, sozial benachteiligten Kindern gleiche Chancen auf Bildung zu sichern.

>> Jetzt bestellen und Gutes tun

 

Ist das ÖWB heutzutage eigentlich noch relevant, wenn man mit dem Smartphone auf Google in Sekundenschnelle alles nachschauen kann?

Nie kann ein Google-Ergebnis auf einen Blick einen so kompakten, korrekten, informativen und übersichtlichen Inhalt zu einem Wort liefern, wie ihn das das Österreichische Wörterbuch in jedem seiner Artikel schafft.

Das kann Google nicht bieten in der Geschwindigkeit. Zum Lernen ist das Österreichische Wörterbuch als Printexemplar meines Erachtens unverzichtbar.

Die wichtigsten Informationen zu Orthografie, Betonung, Grammatik, Varianten, Sprach- und Stilschichten, Etymologie, gegebenenfalls Rechtschreibregeln dazu, Begriffsdefinition, Verwendungsbeispiele und eventuell auch Antonyme, Synonyme et cetera sind auf einen Blick zu erfassen. Das kann Google nicht bieten in der Geschwindigkeit. Zum Lernen ist das Österreichische Wörterbuch als Printexemplar meines Erachtens unverzichtbar. Das haptische Erfahren – da wird die Neuropsychologie zustimmen – ist dem „Schnell mal Nachschauen“ haushoch überlegen.

Grammatik ist neben dem Wortschatz ein wichtiger Teil des ÖWBs. Über welchen grammatikalischen Fauxpas stolpern Sie regelmäßig?

Da gibt es tatsächlich einen Fauxpas, dem ich regelmäßig bewusst ausweichen muss. Mir rutscht statt „der Jour“ immer „das Jour“ über die Lippen – vermutlich, weil ich dabei zuerst immer an „Treffen“ oder „Meeting“ denke, was mir im Sprachgebrauch näherläge.

Machen wir ein Gedankenexperiment: Wie sieht das ÖWB im Jahr 2050 aus?

Es gibt einen lexikografischen Band und einen Band mit dem sogenannten Beiwerk. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass der ständige Wortzuwachs in einem Band weiter dargestellt werden kann. Die Wörterbuchartikel sind sehr ähnlich den aktuellen. Es gibt zu umfangreichen Einträgen vielleicht Verknüpfungen, über die online weitere Informationen bereitgestellt werden. Dort gibt es auch kleine Videos, Bilder, viele Anwendungsbeispiele aus diversen Korpora und der Literatur, vielleicht eine Wortgeschichte zum einen oder anderen Lemma.

Ich werde es mir jedenfalls kaufen und mit Freude darin schmökern, was sich meine Nachfolgerinnen und Nachfolger dann so einfallen haben lassen.

Außerdem gibt es „Kleine Fach-ÖWBs“ zum Beispiel zur Literatursprache, für den in die Alltagssprache integrierten Fachwortschatz zu Jus, zu Medizin, zur Küchensprache et cetera. Ich werde es mir jedenfalls kaufen und mit Freude darin schmökern, was sich meine Nachfolgerinnen und Nachfolger dann so einfallen haben lassen.