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Von Bienen, Blumen und der Koevolution

Vorhang auf für den letzten „am Puls-Coverstar“ unserer 4-teiligen Serie: die Bienen-Ragwurz. Sie ziert nicht nur das Cover des neuerschienen Bandes unseres Biologielehrwerks, weil sie schön anzusehen ist. Sie wurde auch ausgewählt, weil sie eine besondere Strategie entwickelt hat, um ihren Fortbestand zu sichern.

Vor kurzem ist Band 8 des Oberstufen-Biologielehrwerks am Puls erschienen, der die Reihe komplettiert. Wie schon bei den Bänden 5 bis 7 ist auch dieses Mal wieder ein „Star“ aus der Welt der Biologie am Cover abgebildet, der etwas Besonderes kann und den wir Ihnen hier vorstellen möchten.

Bienen-Ragwurz (Foto: Wikipedia)

Die Bienen-Ragwurz

Die Bienen-Ragwurz – unser Coverstar von Band 8 – ist in Europa zwar weit verbreitet, aber meist selten – in Österreich kommt sie nur im Osten vor und ist dort stark gefährdet. Innerhalb ihrer Verwandtschaft der Ragwurzen stellt sie eine Ausnahme dar: Von Insekten wird sie nur noch gelegentlich im Mittelmeerraum besucht. Weiter nördlich pflanzt sie sich ausschließlich durch Selbstbestäubung fort. Aufgrund ihrer Blütenform vermuten Biologinnen und Biologen, dass der Bienen-Ragwurz irgendwann ihr Insektenpartner verloren gegangen ist und die Selbstbestäubung evolutionär eher eine Notlösung darstellt.

Ragwurzen (ver)locken Bienenmännchen

Fast alle Arten der Ragwurzen ahmen mit ihrer Blüte das Aussehen und die Sexualduftstoffe von Weibchen bestimmter Bienenarten nach und locken auf diese Weise Bienenmännchen an. Diesen wird beim Besuch der Blüte ein Pollenpaket auf den Rücken geheftet, das sie zur nächsten Pflanze transportieren. Diese enge Verbindung von Pflanze und Tier ist in mehreren Millionen Jahren gemeinsamer Evolution entstanden. Ragwurzarten sind durch diese spezielle Anpassung aber nun auch an ein Vorkommen ihrer Bestäuberart angewiesen.

Orchideen und Bestäuberinsekten im evolutionären Wettlauf

Wenn zwei Arten in ihrer Lebensweise voneinander abhängen, sind sie häufig auch in ihrem Körperbau oder ihrem Verhalten aneinander angepasst. Neue Anpassungen einer Art ziehen dann Anpassungen der anderen Art nach sich und umgekehrt. Stehen Arten auf diese Weise miteinander in enger evolutionärer Wechselwirkung, so spricht man von einem evolutionären Wettlauf oder Koevolution.

Besonders gut beobachtbar ist dieses Phänomen bei Orchideen und ihren Bestäubern. Manche Orchideenarten haben einen einzigartigen Blütenbau, der an nur eine einzige Bestäuberart angepasst ist.

Abbildung aus am Puls 8, Seite 105

Charles Darwin und der vorausgesagte Schmetterling

Die Orchideenart „Stern von Madagaskar“ (Angraecum sesquipedale) weist eine besonders lange Blütenröhre mit Nektar am hintersten Ende auf. Als Charles Darwin ein Exemplar dieser Art betrachtete, sagte er bereits voraus, dass es auf Madagaskar eine Insektenart mit einem sehr langen Rüssel geben müsse. Tatsächlich wurde 40 Jahre später, lange nach dem Tod Darwins, eine Nachtfalterart mit entsprechend langem Rüssel entdeckt.


am Puls 8, Seite 111

„Blick in die Forschung“ mit am Puls Biologie

Die Sonderseiten Blick in die Forschung erläutern zu jedem Kapitel spannende biologische Experimente und geben Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte und wissenschaftliche Arbeitsmethoden.