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Viele interessante Fragen warten noch auf eine Antwort

Das öbv Magazin hat aus Anlass der Neubearbeitung des Lehrbuchklassikers Gollenz Physik mit den Autoren Gustav Breyer, Erich Reichel und Stefan Zunzer über ihre Rollenverteilung im Schulbuchbearbeitungssprozess und Lieblingsseiten gesprochen – ein Interview.

öbv Magazin: Welche Rolle nehmen Sie im Gollenz-Autorenteam ein?

Gustav Breyer: Nach dem Ausscheiden von Franz Gollenz bin ich der am längsten im Autorenteam tätige Autor. Bis auf eine kurze Zeit war ich auch das einzige in Wien wohnende Mitglied des Teams. Somit habe ich neben den üblichen Aufgaben als Lehrbuchautor auch vermehrt für den direkten Kontakt mit dem Verlag gesorgt.

Erich Reichel: Vor mehreren Jahren bin ich an die Pädagogische Hochschule Steiermark gewechselt, wo ich bis heute eine Hochschulprofessur für Fachdidaktik in der naturwissenschaftlich-technischen Bildung innehabe. In dieser Funktion sehe ich mich auch im Gollenz-Team. Ich versuche moderne, fachdidaktische Aspekte in das bewährte Konzept dieses Lehrbuches zu integrieren. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich das bewährte Gollenz-Konzept sehr gut mit modernen Ansätzen verbinden lässt.

Stefan Zunzer: Ich bin nach Ausscheiden von Mag. Haimo Tentschert zum Team gestoßen und bin demnach das jüngste Mitglied.  Meine Ziele in dieser Neuauflage waren praxisnahe, moderne, kompetenzorientierte Inhalte zu implementieren sowie den sprachlichen Ausdruck zu modernisieren und zu vereinfachen.

 

öbv Magazin: Gibt es einzelne Seiten im Schulbuch, die Ihnen besonders wichtig sind oder erwähnenswert erscheinen und wenn ja, warum?

Gustav Breyer: Es ist sehr schwer, aus einem dreibändigen Schulbuch Seiten hervorzuheben, die mir besonders wichtig erscheinen. Ich will es dennoch versuchen und zwar mit den Seiten 94 bis 96 aus dem Lehrbuch für die 3. Klasse. Hier werden die Gefahren im Umgang mit dem elektrischen Strom thematisiert und zum Teil veranschaulicht.

Nun aber zum Grund, warum ich mich für eben jene Seiten entschieden habe:

An der Schule, an der ich unterrichtet hatte, war es üblich mit den 3. Klassen das Elektropathologische Museum in Wien zu besuchen. Dort wurden unter anderem die Folgen von Unfällen mit elektrischem Strom dargestellt (Teile der Sammlung befinden sich heute im Technischen Museum Wien und in der pathologisch-anatomischen Sammlung im Narrenturm). Die Kinder wurden auf diesen Lehrausgang vorbereitet. Sie wussten, dass sie aufwühlende, nicht sehr schöne Bilder und Präparate sehen würden. Nach dem Besuch waren die Schülerinnen und Schüler immer sehr nachdenklich. Sie hatten gesehen, welch schreckliche Folgen Leichtsinn, Gedankenlosigkeit und Fahrlässigkeit im Umgang mit elektrischem Strom haben können.

In Österreich ereignen sich jährlich 150 bis 200 Elektrounfälle und bei mindestens zehn davon sind Kinder betroffen. Wenn man durch entsprechende Aufklärung, die durchaus abschreckend sein soll, auch nur einen solchen Unfall vermeiden kann, darf es keine Diskussion mehr geben, ob so etwas in einem Unterstufenlehrbuch angebracht ist oder nicht.

Erich Reichel: Für mich sind besonders die Seiten wichtig, die zeigen wie vielfältig das Auftauchen der Naturgesetze ist. Damit wird dokumentiert, dass Physik nicht nur – wie früher so oft definiert – die Lehre der unbelebten Natur ist. Auch die belebte Natur unterliegt den gleichen (von der Physik beschriebenen) Naturgesetzen. Bezugnehmend darauf ist eines meiner Lieblingskapitel „Der Traum vom Fliegen“ in Physik 2. In diesem Kapitel wird sehr gut (anhand der gleichen Gesetzmäßigkeiten) beschrieben, warum Flugzeuge fliegen, warum sich Vögel in der Luft halten können und warum es Grenzen in der Größe flugfähiger Maschinen und Lebewesen gibt.

Stefan Zunzer: Spezielle Seiten aus drei Bänden herauszupicken fällt mir ebenfalls sehr schwer. Für mich stehen immer jene Aspekte im Vordergrund, die praktisches Wissen vermitteln und Alltagsphänomene erklären – somit auch den „Hausverstand“ stärken.

 

öbv Magazin: Haben Sie Ratschläge, bestimmte Tipps oder Tricks, die Sie Physiklehrerinnen und Physiklehrern (die mit Gollenz Physik unterrichten) mit auf den Weg geben möchten?

Gustav Breyer: Bei der Unterrichtsplanung sollte darauf geachtet werden, dass Schülerinnen und Schüler nicht überfordert werden. Der Unterricht muss auf die Leistungsfähigkeit der Klasse abgestimmt sein. Es soll vor allem Neugierde und Interesse an der Physik geweckt werden. Geben Sie Ihren Schülerinnen und Schülern möglichst viele Freiräume bei der Beschäftigung mit Physik, ohne selbst zum reinen Lernbegleiter zu werden. Vor allem interessierte Schülerinnen und Schüler finden in dem Lehrbuch viele Möglichkeiten, ihr Wissen zu erweitern und zu vertiefen. Geben Sie ihnen möglichst oft einen Anstoß dafür.

Erich Reichel: Wichtig ist, dass wir als Lehrerinnen und Lehrer zeigen, wie spannend die Auseinandersetzung mit physikalischen Inhalten sein kann. Und dass wir gemeinsam mit unseren Schülerinnen und Schülern neugierig auf Entdeckungsreise gehen. Wir sollten nicht den Eindruck vermitteln, dass das physikalische Wissen endgültig ist und wir müssen zeigen, dass viele interessante Fragen noch auf eine Antwort warten. Und dass es wert ist, sich mit diesen Fragen und ihrer technologischen Umsetzungen auseinander zu setzen, auch wenn es manchmal mühsam erscheint. Das Buch hilft in dieser Hinsicht. Es unterstützt bei der Entwicklung von Unterrichtssequenzen des Forschenden Lernens, wo Lernende eigenständig ihre Erkenntnisse und Erfahrungen machen dürfen, die dann als Basis zur Erreichung der Lernziele dienen.

Stefan Zunzer: Naturwissenschaften, Technik und natürlich Physik im speziellen soll Interesse und Neugier wecken. Wir Physiklehrerinnen und -lehrer müssen zeigen, dass wir auf viele Fragen des alltäglichen Lebens eine Antwort geben können oder, dass viele technische Errungenschaften der Physik zugrunde liegen, wodurch wir ein angenehmes, gar luxuriöses Leben führen dürfen. Ebenso sollen wir zeigen, dass jede neue Errungenschaft neue Fragen aufwirft, die es von den jungen angehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, zu lösen gilt.

Gollenz Physik soll als Unterstützung zur Heranerziehung von unseren kreativen Köpfen dienen. Unser inhaltlich anspruchsvolles Buch bestärkt forschendes Lernen und das Entwickeln neuer Erkenntnisse und Erfahrungen. Lassen Sie den Kindern Freiräume um eigene Lösungswege und Denkprozesse zu entwickeln – mein Berufsalltag zeigt oft, wie ideenreich unsere Schülerinnen und Schüler sind.

 

Noch Fragen?

Dann schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an service@oebv.at. Wir nehmen uns gerne die Zeit und beantworten all Ihre Fragen. Weiterführende Informationen zum Lehrwerk Gollenz Physik 2 finden Sie hier.