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Sprachlich alle Register ziehen

Barbara Dvoran, Autorin und Übersetzerin

Um die Lust und Freude an der Arbeit mit Sprache zu stärken, empfiehlt die Autorin und Übersetzerin Barbara Dvoran, ihre vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten zu nutzen. Spielerisch, unkonventionell und vor allem authentisch.

Das kommt überraschend: Statistisch gesehen sprechen Kinder und Jugendliche viel weniger Dialekt als Erwachsene, die im Arbeitsleben viel eher dialektale Ausdrucksweisen verwenden. Barbara Dvoran lässt diese Tatsache ein wenig sickern. Dann fährt die Autorin, Übersetzerin und ehemalige Lehrerin fort: „Das liegt daran, dass man sich anpasst. In der Schule wird erwartet, dass Hochdeutsch gesprochen wird.

In der Arbeitswelt hingegen erzeugt der Dialekt eine gewisse Nähe, Vertrauen und das Gefühl der Zugehörigkeit.“ Merke, Sprachgebrauch ist wandelbar.

Er ist, weiß die Autorin des Blogs „Zitronenblatt – Wörter auf Reise“, vor allem vielfältig. Jeder Mensch verfügt über ein mehr oder weniger breites Repertoire, aus dem je nach Umständen, Adressaten oder auch Stimmung unbewusst ein bestimmtes sprachliches Register gezogen wird, um situationsadäquat zu kommunizieren. Es gibt also, das ist Barbara Dvoran wichtig, keine falsche Sprachverwendung per se. Dialekt etwa ist stets in sich logisch. „Oder auch Jugendsprache. Jugendliche lassen, wenn sie scherzhaft miteinander sprechen, oft Präpositionen oder Artikel weg. Da geht es auch um Gruppenzugehörigkeit, es geht darum, etwas Witziges zu sagen, es geht um den bewussten Regelverstoß.“

Denn, und das hält Dvoran all jenen entgegen, die Jugendsprache als Kulturverfall wahrnehmen, um gegen Regeln verstoßen zu können, muss man sie erst beherrschen. „Untereinander“, berichtet sie, „bessern sich Kinder gegenseitig aus, wenn zum Beispiel ein falscher Titel verwendet wird. Das ist ihnen sehr bewusst und der richtige Gebrauch ist ihnen wichtig. Da wird auch viel darüber diskutiert, über das was und wie.“

Aufgabe der Bildungsinstitutionen ist es genau hier anzusetzen. Am Sprachgefühl, an der Lust im Umgang mit Sprache. „In der dritten Klasse beginnen die Kinder argumentative Texte zu schreiben. Hier ist es wichtig, wie bei allen Dingen mit der Sprache, ihnen den praktischen Nutzen zu zeigen, die Möglichkeit, Diskussionen gut führen zu können; ihnen zu zeigen, dass man beide Seiten argumentieren kann“, erläutert Dvoran.

Das ist, was Schule kann, die Lust und Freude an Sprache fördern. Und dazu das Verstehen schärfen. Denn in einem Punkt gleichen sich Textarbeiten und mathematische Aufgaben, weiß Dvoran: „Ein großes Problem ist, dass viele Schüler*innen nicht in der Lage sind, Informationen aus dem Text zu filtern. Sie verlieren sich in bestimmten Wörtern und schaffen es nicht, die wesentlichen Inhalte oder die Aussage zu erkennen.“ Dazu braucht es Zeit, fügt sie hinzu. Zeit, an der es in der Schule oftmals mangelt. Nicht nur in der Schule, überlegt Dvoran. Es mag auch mit der Schnelllebigkeit des Alltags zusammenhängen, in der Informationen immer sehr kompakt und in rascher Folge angeboten werden. Weswegen die Fähigkeit, logisch zu denken und Zusammenhänge zu erkennen in der Arbeit mit Texten und Sprache ebenso wichtig ist wie im Umgang mit mathematischen Problemstellungen.

Bei Jugendsprache geht es auch um Gruppenzugehörigkeit. Darum, etwas Witziges zu sagen, um den bewussten Regelverstoß.

Wenn aber Jugendliche, wie die Autorin meint, Sprache mit einer gewissen Freude als Mittel der Identifikation einsetzen, bietet sich hier ein weiterer Anknüpfungspunkt. „An der Schule kann man zum Beispiel Lehrmaterialien mit authentischen Texten einsetzen“, überlegt Barbara Dvoran. Und mit ihnen Strukturen erschließen, Zusammenhängen nachgehen, das eine Mal schriftlich, dann wieder in einem Video, der Möglichkeiten sind viele. „Dann kann mit den Schüler*innen herausgearbeitet werden, wo Unterschiede liegen, ob es sich um Standardsprache oder dialektale Formen handelt oder um Freizeitsprache. Wichtig ist, die Kinder und Jugendlichen dort abzuholen, wo ihre Realität ist. Und auch einmal ältere Texte zu verwenden, um den Wandel der Sprache nachzuvollziehen oder in längere Texte eintauchen. Man muss sich nur Zeit nehmen“, ist sie überzeugt.

Sprache, das ist ihr wichtig, ist kein starres Konstrukt. Sie ist vielmehr ein lebendiges, variantenreiches Instrumentarium, das allen zur Verfügung steht. „Deswegen sollten die Schule Sprache so vermitteln, dass sie den Kindern und Jugendlichen Spaß macht, dass sie sich und ihren Alltag einbringen können. Wir sollten ihnen zeigen, dass sie sprachlich alle Register ziehen können und daran Freude haben“, wirft Barbara Dvoran einen Blick in die Zukunft.


Dieser Artikel ist für das Magazin klassezwanzigzukunft im Rahmen des Jubiläums „250 Jahre öbv“ entstanden.