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Prof. Taschner, was ist Mathematik?

Prof. Rudolf Taschner ist unter anderem Autor der historischen Seiten des öbv-Lehrwerks Das ist Mathematik. Ursprünglich als Physiker berufen, beschäftigt er sich heute vorwiegend mit den Geheimnissen der Mathematik.
Im Interview erklärt er, weshalb ihm die ansprechende Vermittlung des imagebelasteten Fachs für Jung und Alt am Herzen liegt.

Herr Taschner, bitte stellen Sie sich kurz vor…

Ich heiße Rudolf Taschner, bin Professor für Mathematik an der Technischen Universität in Wien und betreibe mit meiner Frau Bianca das Projekt math.space im Museumsquartier. Unser Ziel ist es Mathematik, leider als Angst- und Schreckensfach in den Schulen verschrien, einen anderen Stellenwert zu geben. Auch Lehrerinnen und Lehrer können dadurch, einerseits auf math.space und andererseits auf gute Schulbücher zurückgreifend, ihren Unterricht perfekt gestalten. Und wenn wirklich alle den Unterricht perfekt gestalten, wird das Projekt fast unnötig werden – denn dann sind alle von Mathematik begeistert. Bis dahin ist aber noch ein kleiner Weg zurückzulegen.

Was war Ihre erste Begegnung mit der Mathematik?

Grundsätzlich war ich in der Schule gar nicht so schlecht in Mathematik. Besonders interessierte mich jedoch ein Fernsehprofessor, Heinz Haber, der sehr geschickt Astronomie, Geophysik, also überhaupt Physik, im Fernsehen an das Publikum bringen konnte. Aufgrund seiner großartigen Vorträge habe ich beschlossen Physik zu studieren. Dazu gehörte natürlich auch die Mathematik. Im Verlauf dieser enger werdenden Bekanntschaft wollte ich unbedingt wissen, was das d beim Differenzieren bedeutet. Allein aus ästhetischen Gründen, beispielsweise anhand der Schreibweise des unbestimmten Integrals, vermutete ich ein Geheimnis dahinter. Heute habe ich das Gefühl, ich bin diesem schon ziemlich nahe gekommen, aber ich betrachte es immer noch als reizvolles Ding hinter dem viel Philosophie und Denken steckt. Das eigentliche Interesse ist bei mir ja nicht die Mathematik, sondern die Philosophie – aber die Mathematik ist eine Brücke dazu.

Sie sind Autor der historischen Seiten des öbv-Lehrwerks Das ist Mathematik. Wie kamen Sie dazu?

Da war immer diese Idee „Wie schreibe ich das richtige Schulbuch?“. In seinem ersten und einzigen Band erklärte Otto Toeplitz, ein bedeutender Mathematiker welcher leider durch die Ereignisse in den 30er Jahren Deutschland verlassen musste, wie Mathematik aufgrund der historischen Entwicklung unterrichtet werden kann. Eben dieses Buch nahm mein Professor auf der Universität, Edmund Hlawka, auch ein Mathematiker von Weltbedeutung, zur Vorlage für seine Seminare. Und als ich mein Lehrbuch für die Universität schrieb, ging ich vor wie Toeplitz es geplant hatte. Dabei hat der ÖBV wohl mitbekommen, dass es jemanden gibt, der Mathematik mithilfe von Geschichten verständlich macht. Mir persönlich ist es wichtig, dass vor allem die Kinder, die mit den Schulbüchern arbeiten, glücklich sind.

Es gibt da jemanden, der Mathematik verständlich macht. Sein Trick ist, dass er Geschichten erzählt.

Was ist das Besondere an den Videos zu den geschichtlichen Seiten von Das ist Mathematik?

Es ist ein ganz anderes Medium. Das Buch kann ich zur Hand nehmen, ich habe die Möglichkeit immer wieder nach vorne- oder zurückzublicken, langsam oder schnell zu lesen. Beim Video geht das nicht, dafür wird der Sehsinn angesprochen – und ein Bild sagt immer mehr als tausend Worte. Ich kann mich in die Geschichte hineinfallen lassen. Jedoch wäre das Video ohne das Buch höchstwahrscheinlich zu wenig, das Buch ohne Video nicht ganz so sinnlich greifbar. Die Kombination ist also eine Königsidee. Das werden sicherlich auch andere machen, jetzt kommt es darauf an, dass wir es sehr gut machen.

Foto: Rudolf Taschner

Wie würden Sie junge Leute mit einem Satz für Mathematik zu begeistern versuchen?

Auch Mathematik kann glücklich machen.

Was glauben Sie, gefällt Schülerinnen und Schülern am besten an Das ist Mathematik?

Jedes Kapitel hat so seinen Reiz, dabei kommt es ganz auf die Persönlichkeit an. Die entscheidende Frage der Kinder ist immer: „Wozu brauche ich das?“ Das Wichtigere ist aber: „Ich habe etwas begriffen“ – denn richtig gelernt habe ich, wenn ich glaube den Gegenstand auch unterrichten zu können. Deshalb ist es essentiell die Materie in einem Buch so darzustellen, dass die Kinder das Gefühl haben: „Jetzt kann ich es.“ Eben dies ist das Kriterium des guten Unterrichts: alles geschieht vor Ort und Nachhilfe ist nicht mehr nötig.

Ich muss schätzen können und mich nicht kopflos auf die Maschine verlassen. Wenn ich verstehe, was ich tue, macht mich die Mathematik glücklich.

Was ist Ihre Meinung zu digitalen Unterrichtsmitteln und wie könnten sich diese im Mathematik-Unterricht sinnvoll einsetzen lassen?

Ich verwende sie sehr selten. Bei meinen Vorlesungen auf der Hochschule war ich immer glücklich, wenn ich an der Tafel geschrieben habe, so wie die Griechen einst auf dem Sand. Das Digitale ist ein Nebengeräusch. Man braucht es und es ist wertvoll, aber es wird niemals Hauptsache werden. Alles was digital ist, ist sozusagen wie Schlagobers zum Kaffee. Sie müssen den Kaffee genießen. Wenn Sie nur Schlag genießen werden Sie dick, aber es schmeckt nicht. Genauso ist es mit der Mathematik. Nur weil es der Computer kann und ich ihn zu bedienen weiß, habe ich es noch nicht verstanden.  Dabei ist dieses „Ich kann“ das Entscheidende, was die Menschen glücklich macht. Ich rechne das kleine Einmaleins im Kopf, ganz einfache Rechnungen schätze ich oder rechne sie mit der Hand. Die wirklich komplizierten Aufgaben, wo es auf Genauigkeit ankommt, macht dann die Maschine. Diese Arbeitsteilung ist wichtig, aber ich muss schätzen können und mich nicht kopflos auf die Maschine verlassen. Wenn ich verstehe, was ich tue, macht mich die Mathematik glücklich.


Das ist Mathematik mit Videos zu den historischen Seiten

Neu bei Das ist Mathematik: Erklärungsvideos zu den historischen Seiten von und mit Prof. Rudolf Taschner. Alle Videos werden in naher Zukunft auf Lehrwerk-Online zur Verfügung stehen. Als Vorgeschmack gibt es zu Beginn des Interviews die Möglichkeit, in einem ersten Video mehr über die Dezimalzahlen zu erfahren.