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Gutes Design nimmt die Menschen ernst

Lilli Hollein, MAK-Direktorin

Es gilt, meint MAK-Direktorin Lilli Hollein, die Räume des Wissens und des Wissenserwerbs ebenso wie Unterrichtsmaterialien bewusst zu gestalten. Immer wieder anders, immer wieder neu und immer wertschätzend.

Das Schulbuch, sagt Lilli Hollein, zählt für viele Kinder zu den prägenden Büchern , die sie in ihrem Leben physisch in Händen halten und mit denen sie arbeiten werden. „Umso mehr müssen wir ihm die Bedeutung zumessen, die es in der Wissensvermittlung hat“, fügt die Generaldirektorin des Wiener Museums für Angewandte Kunst (MAK) hinzu.

Um Perspektiven zu weiten, Möglichkeiten zu eröffnen und kreativ zu agieren. „Ein Auftrag unseres Hauses ist es, in Zukunft noch viel mehr als bisher, eine ganz grundsätzliche Schulung oder Sensibilisierung für die Möglichkeiten durch Kreativität zu vermitteln“, wird Hollein grundsätzlich.

Dabei, präzisiert sie, geht es nicht allein um künstlerische Äußerungen: „Ich glaube, im Schulsystem die Stunden für kreative Fächer zu reduzieren, ist der kapitalste Fehler, den wir machen können.“ Schließlich gibt es keine linearen Lebensläufe mehr. Es gibt sie jetzt schon selten. In Zukunft wird es sie noch seltener geben. „Alles, was Menschen brauchen, ihr Leben zu bewältigen“, führt Lilli Hollein weiter aus, „und um sich einen Beruf zu zimmern und ihn im Laufe ihres Lebens umzugestalten, wird Kreativität sein. Kreativität und das Erkennen eigener Fähigkeiten, etwas miteinander zu verknüpfen, sodass daraus ein Rüstzeug wird, mit dem man operieren kann.“

Also, schließt sie, ist diese Form der Bildung elementar. Weil man gerade in den künstlerischen Fächern lernt, exakt hinzuschauen, genau hinzuhören, zu verstehen, wie Technik funktioniert. Mithin Wissen erwirbt, auf neue Gegebenheiten neue Antworten zu finden und zu formulieren. Dieses Fundament legt die Schule in den kreativen Fächern. Oder sollte sie legen.

Und welche Rolle kommt dabei der Gestaltung etwa der Schulbücher zu, oder anderer Unterrichtsmittel? „Gute grafische Gestaltung erleichtert die Vermittlung von Inhalten“ antwortet Hollein und vergleicht den Wissenserwerb mit der Gestaltung von Stiegen: „Das kann jeder im Selbstversuch erkennen. Es gibt Treppen, die sich leichter steigen lassen und solche, die schwerer zu steigen sind. Das liegt an ein paar Parametern der Gestaltung. Genauso kann man sich Stoff, je nachdem wie er grafisch aufbereitet ist, leichter oder schwerer aneignen. Das ist der rein funktionale Aspekt.“

Ein schön gestaltetes Buch ist immer auch das Fortschreiben einer Kulturgeschichte.

Zudem ist da noch der ästhetische Aspekt. Einer, der gerade das Buch weiterhin legitimieren wird, ist sie sich sicher. „Ein schönes Buch ist auch das Fortschreiben einer Kulturgeschichte“, befindet sie.

Da stellt sich unweigerlich die Frage, was ist denn nun gutes Design? Eine gute Frage, repliziert Hollein, und eine alte Frage dazu, weil die Definition sich ständig erneuert. „Ich würde diese Frage heute keineswegs mehr mit Ästhetik oder mit ästhetischen Aspekten beantworten“, führt sie aus. „Gutes Design ist heute sicher eines, das auf viele Belange Rücksicht nimmt, wie die Nachhaltigkeit in jeder, in ökologischer und sozialer Hinsicht.“ Gutes Design befindet sie weiter, gründet in der gesellschaftlichen Verantwortung, die dieser Bereich hat. „Hätte man schon lange auf die Designschaffenden gehört, wären wir in vielen Aspekten schon viel nachhaltiger. Es sind sehr viele Designer, die gegen die geplante Obsoleszenz auftreten – gleichzeitig sind sie diejenigen, die neue Objekte der Begehrlichkeiten entwerfen.“ Gutes Design, schließt sie ihre Überlegungen, ist eines, das Zukunft hat. Gutes Design nimmt zudem den Menschen ernst. Auch und gerade in der Schule. „Gut gestaltete Schulbücher erhöhen den Lernerfolg“, bekräftigt Lilli Hollein. Mithin Materialien, die attraktiv sind, ohne sich an die Zielgruppe anzubiedern. „Außerdem denke ich, dass sie in ihrer Gestaltung die Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen widerspiegeln sollen. Wie kann die Auseinandersetzung eine leidenschaftliche sein, wenn man sich nirgendwo abgebildet fühlt? Eine unglaublich lohnende gestalterische Aufgabe“, resümiert sie. Es gilt, fährt Hollein fort, zu verstehen, was alles erreicht werden kann, indem Räume des Wissens und des Wissenserwerbs geschaffen werden, die immer wieder anders werden und immer wieder besser werden.

Das gilt für das Schulbuch, das gilt für alle Medien, die in der Wissensvermittlung eingesetzt werden, kommt Lilli Hollein zum Ende ihrer Ausführungen und hält fest: „Aber auch da ist die Gestaltung elementar. Ob das im analogen oder digitalen Bereich ist: Gestaltung trägt zum Lernerfolg bei.


Dieser Artikel ist für das Magazin klassezwanzigzukunft im Rahmen des Jubiläums „250 Jahre öbv“ entstanden.