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Eine Schlüsselkompetenz für lebenslanges Lernen

Seit dem Schuljahr 2022/23 ist „Digitale Grundbildung“ in der Sekundarstufe 1 ein Pflichtgegenstand. Warum das ein wichtiger Meilenstein ist und welche Kompetenzen dieses Fach vermitteln soll, haben wir mit Walter Fikisz, Medienpädagoge und Schulbuchautor besprochen.

Zur Person

Prof. Mag. (FH) Walter Fikisz, MA, BEd ist Autor des öbv Lehrwerks vernetzt – Digitale Grundbildung sowie Lehrender und Lehrgangsleiter im Bereich Medienpädagogik, E-Learning & digitale Medien, Social Media Manager & Mitarbeiter im Hochschulmanagement an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich.


Im Gespräch mit Walter Fikisz

Herr Fikisz, bitte stellen Sie sich kurz vor!

Nach mehrjähriger Berufstätigkeit als Journalist in der Privatwirtschaft, kam ich vor zehn Jahren als Quereinsteiger in die Medienpädagogik. Ich habe mehrere Studien im Bereich E-Learning und Wissensmanagement absolviert und arbeite nun hauptberuflich als Lehrender an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich im Department für Medienpädagogik. Ich leite dort die Hochschullehrgänge „Digitale Grundbildung“ und „Prima(r) Medien“ für die Weiterbildung von Lehrpersonen in der Sekundar- und Primarstufe. Im Bereich der Forschung finalisiere ich derzeit meine Doktorarbeit über die digitalen Kompetenzen von Elementarpädagog*innen.

Das Fach „Digitale Grundbildung“ ist seit dem Schuljahr 2022/23 ein Pflichtfach in der Sekundarstufe I. Warum halten Sie das für sinnvoll?

Sich in der digitalen Welt zurechtzufinden, digitale Medien passiv und aktiv zu nutzen, ist für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben heute unabdingbar. Obwohl etwa der Europäische Referenzrahmen „Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen“ bereits seit 2007 – also seit immerhin 16 Jahren – die Computerkompetenz als einen von acht Kompetenzbereichen anführt, hat der Einzug der digitalen Grundbildung in den Fächerkanon der Schule ziemlich lange gedauert.

Die fixe Verankerung des Faches in der Sekundarstufe und weitere damit verbundenen Maßnahmen im Rahmen des 8-Punkte-Plans des Bildungsministeriums sind ein wichtiger Meilenstein.

Erstmals werden alle jungen Menschen auf das Leben und Arbeiten in unserer digitalisierten und stark medialisierten Welt gezielt vorbereitet. Das Fach schließt den bislang vorherrschenden digital gap zwischen jenen, die im häuslichen oder außerschulischen Umfeld digitale Kompetenzen entwickeln konnten und jenen, die in der digitalen Welt ganz auf sich alleine gestellt waren. Wir können ja gerade sehr schmerzlich wahrnehmen, wie viele Menschen etwa FakeNews oder Verschwörungstheorien zum Opfer fallen, weil sie es nie gelernt haben, im Internet zwischen Fakten und Stimmungsmache zu unterscheiden.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Bildungsziele dieses Schulfachs?

Foto: Annie Spratt / Unsplash

Das Fach soll den Schüler*innen einerseits die Kompetenzen vermitteln, digitale Geräte und Programme gezielt und ihrem Zweck entsprechend anzuwenden. Auf dem Mobiltelefon wischen kann jede und jeder, aber die Schüler*innen sollen auch komplexere digitale Anwendungen kennenlernen, deren Bedienung nicht so selbsterklärend wie eine App am Smartphone ist. Darüber hinaus ist es ein wesentliches Ziel, die Schüler*innen zu unterstützen, die Systeme der vernetzten digitalen Welt zu verstehen. In diesem Bereich geht es um die Förderung von problemlöseorientiertem, informatischem Denken.

Nur wer durchschaut, wie etwas funktioniert, kann auch aktiv mitgestalten. Ich glaube, wir brauchen jetzt und in der Zukunft viele gute Köpfe, die kreativ und über den Tellerrand hinaus denken können.

Schließlich soll das Fach die Möglichkeit zur Reflexion darüber geben, wie digitale Medien auf den einzelnen Menschen und die Gesellschaft wirken. Schüler*innen sollen lernen, Informationen zu beurteilen, eigene Standpunkte zu entwickeln und ihre Einflussmöglichkeiten auf technologische und gesellschaftliche Entwicklungen erkennen.

Sie sind Autor des Lehrwerks vernetzt – Digitale Grundbildung. Was macht das Lehrwerk aus?

„vernetzt“ ist einerseits ein ganz klassisches Schulbuch mit einem ausführlichen Informationsteil. Wir versuchen, die drei vorhin beschriebenen Bereiche, also die Anwendung von Geräten und Programmen, die informatische Bildung und die Auseinandersetzung mit den Gesetzmäßigkeiten der digitalen Welt anhand von Beispielen aus der Lebenswelt der Schüler*innen zu vermitteln. Auf jeweils einer Doppelseite widmen wir uns einem Thema, dazu gibt es konkrete Aufgaben mit Differenzierungsmöglichkeiten. Über das ganze Buch verteilt stellen wir immer wieder Berufe aus der digitalen Welt vor, um den Schüler*innen die vielfältigen Möglichkeiten für ihre spätere Berufswahl aufzuzeigen.

Warum ein gedrucktes Schulbuch für ein „digitales Fach“?

Auf den ersten Blick mag es auf der Hand liegen, gerade in diesem Fach auf ein gedrucktes Buch zu verzichten. Ich glaube aber, dass viele Lehrkräfte nach wie vor gerne ein gedrucktes Schulbuch verwenden. Wer mit seinen Schüler*innen gerne voll digital arbeitet, kann das „E-Book+“ verwenden, das mit einer Vielzahl an interaktiven Übungen und digitalem Zusatzmaterial gespickt ist. Natürlich können auch beide Versionen des Buches gleichzeitig verwendet und dadurch analoge und digitale Inhalte miteinander verschränkt werden.

Vielen Dank für das Interview!


Digitale Grundbildung nach neuem Lehrplan mit vernetzt

Der neue Lehrplan basiert auf dem sogenannten „Frankfurter Dreieck zur Bildung in der digital vernetzten Welt“. Dieses Modell wurde gemeinsam von Informatiker*innen, Medienpädagog*innen und Medienwissenschaftler*innen entwickelt. Dem Modell folgend geht der Lehrplan drei großen Grundfragen nach:

In vernetzt – Digitale Grundbildung werden diese Themen möglichst interdisziplinär betrachtet. Ein Beispiel: Die Schüler*innen sollen einen Podcast erstellen, in dem sie die Vor- und Nachteile einer aktuellen technischen Entwicklung wie der Künstlichen Intelligenz beleuchten. Dabei lernen sie einerseits die technische Umsetzung eines Podcasts kennen, reflektieren andererseits aber auch die gesellschaftlichen Wechselwirkungen einer Technologie, die gerade in aller Munde ist. Schließlich setzen sie sich auch mit der Wirkungsweise eines Medienprodukts – in diesem Fall eines Podcasts – auseinander.