- öbv Magazin - https://magazin.oebv.at -

Berufsorientierung mit dem öbv-Geschäftsführer

Bei der 4b der Mittelschule Brüßlgasse im 16. Wiener Gemeindebezirk gab es am 2. März eine etwas außergewöhnliche Unterrichtseinheit: Eine Stunde lang war öbv-Geschäftsführer Maximilian Schulyok dort zu Gast, gab Einblicke in seine Berufspraxis und Tipps rund um die Berufswahl. Im Interview erzählt er von der Erfahrung.

Die Unterrichtsstunde fand im Rahmen der Teach-For-Austria-Woche statt.

Warum hast du dich entschlossen, diese Unterrichtsstunde zu gestalten?

Diese Jugendlichen sind in der vierten Klasse und stehen jetzt vor der wichtigen Entscheidung, was sie nach der Schule weiter machen. Viele von ihnen kommen aus einem prekären Umfeld, das sie in Hinblick auf ihre Bildungs- und Berufslaufbahn nicht immer bestmöglich unterstützen kann. Deshalb war es mir wichtig, einen kleinen Teil dazu beizutragen, ihnen eine Perspektive für ihr späteres berufliches Leben mitzugeben und ihren Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu stärken.

Wie ist die Stunde denn dann abgelaufen?

Ich habe die Unterrichtsstunde gemeinsam mit dem Teach-For-Austria-Lehrer Emir Handžo vorbereitet und gestaltet. Wir wollten keine klassische Berufsvorbereitung machen, denn die gibt es ohnehin als Unterrichtsgegenstand. Stattdessen haben wir den Fokus darauf gelegt zu vermitteln, worauf es bei der Berufswahl ankommt, dass es wichtig ist herauszufinden, wofür man brennt und wofür man sich vorstellen kann, jeden Morgen aufzustehen.

Am Anfang haben wir die Jugendlichen raten lassen, was ich beruflich mache. Die meisten haben auf Anwalt und Bürokaufmann getippt, aber auch Pilot oder Biologe wurden genannt. Dann haben wir sie auch gefragt, was ihre Berufswünsche sind. Besonders viele wollen IT-Techniker*in werden, aber auch Physiotherapeut*in, Fußballer*in, Zahnarzttechniker*in und KFZ-Mechaniker*in war dabei. Manche wussten es auch noch gar nicht. Und ich glaube, das ist auch gar nicht schlimm, wenn man das in dem Alter noch nicht weiß.

Was hast du ihnen geraten, was ist das Entscheidendste bei der Berufswahl?

Zwei Drittel der Jobs, die wir 2035 haben werden, gibt es heute noch gar nicht. Und Lebenswege sind auch nicht mehr so geradlinig wie früher. Deswegen sind für mich sind die wichtigsten Fragen, die sich junge Menschen bei der Berufswahl stellen sollten: Was macht mir Spaß? Und worin bin ich gut? Die Jugendlichen in dieser Klasse waren zum Beispiel fast alle mehrsprachig. Das ist eine enorme Stärke.

Zwei Drittel der Jobs, die wir 2035 haben werden, gibt es heute noch gar nicht.

Wir haben zum Beispiel gemeinsam darüber nachgedacht, ob sich aus ihren Berufswünschen und Lieblingsspielen in der Kindheit etwas ablesen lässt. Dinge, die man gern und gut macht, zeigen sich oft schon früh. Später verbringen wir dann 80 % der bewusst erlebten Zeit im Job. Auch wenn der noch so gut bezahlt ist, geht es uns damit nicht gut, wenn uns die Arbeit keinen Spaß macht. Deswegen ist es auch so wichtig, den Beruf nach den eigenen Interessen zu wählen und nicht das zu machen, was der beste Freund oder die beste Freundin auch macht oder was die Eltern und Lehrkräfte für gut halten.

Wenn die jungen Menschen sich dann überlegt haben, was ihnen Spaß macht und wo ihre Talente sind, was können sie dann konkret tun?

Mein Rat an die Klasse war: Suche – im realen Leben und im Internet – nach Menschen, die etwas machen, was auch dir Spaß macht. Dann beschäftige dich mit dieser Person, folge ihr auf Instagram oder Tiktok, schau dir Youtube-Videos von ihr an. Finde heraus, wie sie dorthin gekommen ist, wo sie ist.

Vor allem ist es entscheidend, an seinen beruflichen Zielen kontinuierlich zu arbeiten. Das habe ich ihnen auch anhand meiner Marathon-Leidenschaft erklärt.

Kontinuierliches Hinarbeiten auf dein Ziel spielt eine viel größere Rolle. Fleiß schlägt Talent in 99 Prozent der Fälle.

Inwiefern kann man Berufswahl und Karriere mit Marathonlaufen vergleichen?

In beiden Bereichen zeigt sich: Es ist wichtig, Ziele zu haben und dranzubleiben. Auf ein großes Ziel hinzutrainieren, dauert Monate oder sogar Jahre. Du musst nicht gescheiter sein als alle anderen oder das beste Zeugnis haben. Kontinuierliches Hinarbeiten auf dein Ziel spielt eine viel größere Rolle. Fleiß schlägt Talent in 99 Prozent der Fälle. Wenn du also etwas findest, was dir Spaß macht und worin du gut bist, kannst du durch Fleiß sehr gut werden. Und wenn du dein Ziel dann erreicht hast, ist es umso schöner, wenn du dafür etwas tun musstest und es dir nicht einfach so zugeflogen ist.

Welche Fragen haben die Jugendlichen dir gestellt?

Ich wurde schon darauf vorbereitet, dass die Jugendlichen bestimmt auch wissen wollen, wie viel ich verdiene und welches Auto ich fahre. Diese Fragen kamen aber gar nicht. Sie haben sich eher danach erkundigt, was ich in meinem Beruf genau mache und wie ein typischer Arbeitstag bei mir aussieht.

Hast du dir auch selbst etwas aus der Stunde mitgenommen?

Ich habe auf jeden Fall einige neue Dinge über das Leben und den Alltag junger Menschen gelernt, sowohl in Bezug auf die Schule als auch darüber hinaus. Solche Begegnungen helfen mir auch, mich immer wieder daran zu erinnern, wie unterschiedlich Lebensrealitäten sind. Mein Umfeld ist zum Großteil sehr akademisiert, aber es ist wichtig und wertvoll, regelmäßig in Kontakt mit Menschen zu sein, deren Leben ganz anders aussieht und diese Lebensrealitäten ebenfalls mitzudenken.

Ich fand es toll, diese großartigen jungen Menschen kennenzulernen und habe mindestens genauso viel von ihnen gelernt wie sie von mir.

Wie hat es den Schüler*innen gefallen? Hast du Feedback bekommen, was sie sich mitgenommen haben?

Ja, die Schüler*innen haben am Ende der Unterrichtseinheit Feedbackbögen ausgefüllt. Sie haben durchweg sehr positives Feedback gegeben; das hat mich sehr gefreut. Besonders im Kopf geblieben ist ihnen der Ratschlag, dem eigenen Traum zu folgen und dabei nicht aufzugeben. Einige waren jetzt motiviert, im Internet und im echten Leben nach Vorbildern zu suchen und sich damit zu beschäftigen, wie die an ihren Beruf gekommen sind. Auch meine Ermutigung, immer neugierig zu bleiben, haben gleich mehrere Schüler*innen im Feedback erwähnt. Spannend ist auch, dass einige ganz kleine Infos, die ich nur nebenbei erwähnt habe, stark hängengeblieben sind – zum Beispiel, dass beim öbv mehr Frauen als Männer arbeiten oder dass es in Zukunft ganz neue Berufe wie zum Beispiel 3D-Techniker*innen geben könnte.

Was ist dein Fazit zur Teach-For-Austria-Woche?

Es hat total viel Spaß gemacht. Ich fand es toll, diese großartigen jungen Menschen kennenzulernen und habe mindestens genauso viel von ihnen gelernt wie sie von mir. Insgesamt bin ich der Meinung, das ist eine großartige Aktion. Damit Jugendliche eine glückliche und erfolgreiche Zukunft haben, müssen sie sich vor allem ihrer Stärken und Möglichkeiten bewusst sein. Das Wichtigste ist erst einmal nicht Fachkenntnis, sondern das Wissen, welche beruflichen Optionen sie haben und welcher Weg sie dorthin führen kann. Und vor allem: sie brauchen das Selbstbewusstsein und die Zuversicht, dass sie auch ehrgeizige berufliche Ziele erreichen können. Da helfen solche Einblicke aus der Praxis und eine Ermutigung von Menschen aus der Praxis enorm viel.

 

Was ist die Teach-For-Austria-Woche?

Teach For Austria bringt besonders geeignete Quereinsteiger*innen als Lehrer*innen an herausfordernde Kindergärten, Mittelschulen und Polytechnischen Schulen, um sich für Kinder mit schwierigen Startbedingungen einzusetzen. Denn in keinem anderen EU-Land hängt der Bildungserfolg so stark vom sozioökonomischen Status und Bildungsniveau der Eltern ab wie in Österreich.

Während der Teach For Austria-Woche besuchen Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft Einsatzschulen von Teach For Austria. Gemeinsam mit Teach-For-Austria-Lehrkräften gestalten und halten sie eine interaktive Unterrichtsstunde an sozial hoch belasteten Mittelschulen und Polytechnischen Schulen, um für mehr Bildungsgerechtigkeit einzustehen. Dabei geben sie spannende Einblicke in ihre Karrieren und zeigen den Kindern, wie sie durch Selbstbewusstsein, Ausdauer und Engagement ihre Träume verwirklichen können.